„Vor aller Augen“ – ein Ausstellungsbesuch im Geschichtsunterricht

Die Fotoausstellung „Vor aller Augen – Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Pro­vinz“ wurde zur Er­innerung an den Holocaust-Gedenktag im Leverkusener Forum gezeigt. In der Aus­stellung konnte man viele Fotografien anschauen und Texte lesen, die den alltäglichen Terror in der Zeit des Natio­nalsozialismus` in Deutschland zeigten. Wir besuchten die Ausstellung im Geschichtsunterricht mit Frau Meessen und einige von uns schrieben das auf, was sie am meisten erschreckt hatte.

Obwohl es dort sechs „große Überschriften“ gab, unter denen die unmenschliche Behandlung von Ju­den, Roma und Sinti, Sozialdemokraten und anderen Menschen gezeigt wurden, haben die meisten von uns doch die Bilder erschreckt, in denen Menschen abtransportiert oder an einen „Pranger“ ge­stellt wurden.

Dabei ging es in dieser Ausstellung gar nicht um die Konzentrationslager, in denen während der Nazi­zeit mehr als 6 Mio. Menschen ermordet wurden, sondern um den Terror, die Demütigungen, die Ent­eignungen und Zerstörungen, die schon vorher oder zur gleichen Zeit „vor aller Augen“ abliefen.

Zuerst wurden Amtsträger ausgeschaltet, die den Nazis nicht passten. Zum Beispiel Sozialdemokra­ten. Dann wurden jüdische Geschäfte oder Arztpraxen boykottiert und auch in Karnevalsumzügen wurden Juden verspottet. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurden die Synagogen und Woh­nungen von Juden zerstört und viele Juden umgebracht. Sogar das Inventar aus den Synagogen wurde auf Marktplätze gebracht und dort angezündet. Viele Menschen schauten dabei zu, was man auf sehr vie­len Fotografien sehen kann.

Die Bilder unter der Überschrift „Öffentliche Demütigung von Rassenschändern“ haben die meisten von uns besonders schockiert. Dort konnte man sehen, wie man Frauen, die mit einem französischen oder polnischen Zwangsarbeiter eine Beziehung hatten, die Haare so kurz schnitt, dass die Frauen dann eine Glatze hatten. Den Männern hängte man ein Schild um, auf dem stand: Ich bin ein Rassen­schän­der. Anschließend wurden die – meistens polnische oder sowjetische – Männer hingerichtet. Diese Hinrichtungen fanden nur in wenigen Fällen vor den Augen der Bevölkerung statt, aber die Demütigungen der Frauen waren große öffentliche Veranstaltungen. Danach gab es dann noch ein „Schaumarsch“ durch den Ort, ehe die Frauen ins Gefängnis oder Konzentrationslager gesperrt wurden.

Das alles geschah auf großen Plätzen und öffentlichen Straßen in vielen deutschen Städten und man sieht auf den Fotografien, dass Massen von Menschen dabei zuschauen. Viele lachen oder grinsen und freuen sich scheinbar, dass die „Rassenschänder“ eine Strafe bekommen.

Auch unter der Überschrift „Die Deportation“ sah man viele Menschen, auch Kinder, die beim Ab­trans­port (in die Konzentrationslager) gedemütigt wurden. Sie mussten stundenlang warten und wur­den dann in Güterzüge oder Lastwagen gequetscht. Angehörige der „Ordnungspolizei“ bewachten die jü­dischen Familien. Sie durften nur Handgepäck mitnehmen und keine Wertsachen. Der ganze Besitz der Deportierten blieb zurück und wurde in großen Hallen gesammelt, das konnte man unter der Über­schrift „Die Verwertung jüdischen Eigentums“ sehen. Man erkennt daran, dass das eine „Reise ohne Wiederkehr“ war, obwohl es offiziell nur eine „Evakuierung“ in Richtung Osten war.

Jeder muss sich doch gefragt haben, warum die Sachen der Menschen, die man abtransportiert hatte, anschließend verkauft oder versteigert wurden. Scheinbar interessierte das aber niemanden von de­nen, die sich dann die besten Einrichtungsgegenstände oder Schmuckstücke aussuchten. Auf dem Foto, das wir veröffentlichen dürfen (Quelle: „Topographie des Terrors“) sieht man das Publikum bei einer öffentlichen Versteigerung von Hausrat, der einmal den deportierten Ju­den gehört hatte (Winter 1940/41). Alle sind fröhlich, lachen und freuen sich scheinbar über eine „gute Gelegenheit“!

Quelle: http://www.topographie.de/topographie-desterrors/presseservice/pressefotos/vor-aller-augen/

Dafür, dass angeblich nur so wenige Deutsche davon gewusst haben wollen, was mit den Juden, den politischen Gegnern, den Sinti und Roma und vielen anderen Menschen wirklich passierte, hatten sie aber beim Zuschauen alle sehr viel Spaß!

Sie hatten auch Spaß auf den Straßen, als Sozialdemokraten politische Parolen von den Wänden ab­waschen mussten oder ein abgesetzter Bürgermeister auf einer Kuh reiten musste (mit einem Schild um den Hals). Sie hatten Spaß bei Geschäftsboykotten oder bei Karnevalsumzügen, obwohl die Juden dort die Leid­tragenden waren. Sie hatten Spaß, wenn auf den Marktplätzen den „Rassenschänderin­nen“ die Haare abgeschnitten wurden und sie hatten scheinbar auch sehr viel Spaß, wenn sie sich aus dem Besitz der deportierten Juden das her­aussuchen durften, was sie am besten gebrauchen konnten.

Es war sehr gut, dass wir diese Ausstellung angesehen haben, denn viele von uns hatten von dem, was dort gezeigt wurde, noch nie gehört.

Was damals „vor aller Augen“ geschah war unmenschlich. Die Fotografien dieser Ausstellung haben uns gezeigt, dass man die grausame Ermordung von Millionen von Menschen durch die Nationalsozialisten vielleicht hätte verhindern können, wenn alle, die damals zuge­schaut haben, sich gewehrt hätten. Nach 1933 war es dazu aber schon fast zu spät. Es hätte gar nicht erst dazu kommen dürfen, dass damals eine nationalsozialistische und rassistische Partei an die Macht kam und eine Diktatur erreichten konnte.  Das darf nie wieder passieren.

Geschrieben von 10 Schüler*innen der Klassen 9a und 9c